Auf Augenhöhe

Auf Augenhöhe

Seit über 20 Jahren fertigt Harald Birck eindrucksvolle Tonbüsten. Und gibt damit dem Rand der Gesellschaft ein unübersehbares Gesicht – Köpfe von obdachlosen, geflüchteten, suchtkranken Menschen.

In der gleichen Zeit sind Tonköpfe von Politikern, Professoren, Schauspielern entstanden. In den Ausstellungen mischen sich diese Exponate und vertragen sich gut. Sie stehen auf Augenhöhe und zeigen, dass das Menschliche, was sie verbindet, größer ist als das, was sie voneinander trennt. Es ist eine Utopie einer gerechten Gesellschaft.

Wobei es vor allem als Kunst gut funktioniert. Auf einen vorgeformten Papierkopf trägt der Künstler Ton auf und formt daraus einen Kopf. Die Zeit im Atelier, in einer Krankenstation, auf einer Messe fließt in das Werk ein und hilft, mehr als einen oberflächlichen Eindruck der Person zu gewinnen. Keine glatten Flächen, keine ästhetisierten Mienen, die Oberfläche rau, die Epidermis aufgerissen, einzelne Partien ragen hervor, andere treten zurück. So sehen die betrachtenden Menschen ein Gegenüber und erkennen es je nach Perspektive immer wieder anders. Mit der Ausstellung „Auf Augenhöhe“ reisen die Skulpturen durch Deutschland und benachbarte Länder Europas. Mittlerweile sind über hundert entstanden. Der Betrachter sieht die Büste eines Menschen und kann die soziale Rolle des Modells frei assoziieren. Erstaunen entsteht, weil die Plastik, die zu einer Ärztin oder einer Musikerin, einer geschichtlichen wie zu einer heutig berühmten Person gehören könnte, in Wirklichkeit einen obdachlosen Menschen darstellt. Ohne die Spuren der Straße zu verdecken, wird von Harald Birck nicht die Bedürftigkeit, sondern die Menschlichkeit in den Vordergrund gestellt. Manch eines der Modelle hat erstmals wieder seine Würde gespürt und drückte es wie es eines der Modelle aus: „Wir sehen aus wie Könige.“ Wie jeder Künstler will Harald Birck mit seinen Werken Aufmerksamkeit erzeugen. Er bewirkt, dass die Betrachterinnen und Betrachter ihr Fremdeln gegenüber obdachlosen Menschen vor der Skulptur leichter ablegen als gegenüber der realen Person. Und deckt damit einen Skandal auf: Warum muss dieser beeindruckende/schöne Kopf obdachlos sein?

Harald Birck, Jahrgang 1960, studierte in Karlsruhe an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste und war Meisterschüler bei Professor Klaus Arnold. Seit 1991 lebt und arbeitet er in Berlin, Goerzke, Marval und … Er ist bereits in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen in Deutschland, Frankreich, Norwegen und im Jemen vertreten gewesen.So wie ihm die künstlerische Baubegleitung des Martin-Gropius-Baus der ehemaligen Landesklinik Eberswalde oblag, hielt er als Maler und Bildhauer auch andernorts Zwischenstationen fest. Renovierte Bauten sind für ihn wie geschönte Gesichter nicht interessant.

Pfarrer Ralf Döbbeling