Auf Augenhöhe

Auf Augenhöhe

Seit 10 Jahren fertigt Harald Birck eindrucksvolle Tonbüsten von Menschen, die am Rande der Gesellschaft leben – Obdachlose, Flüchtlinge, Gestrandete.

Auf einen vorgeformten Papierkopf kommt der Ton und dann läuft die Uhr. Etwa vier Stunden hat Harald Birck Zeit, den Kopf zu formen. Zeit, im Gespräch und durch Betrachten mehr als einen oberflächlichen Eindruck zu gewinnen. Keine glatten Flächen, keine ästhetisierten Mienen, die für die Ewigkeit in einen Ausdruck gegossen werden. Die Oberfläche ist rau, die Epidermis aufgerissen, einzelne Partien ragen hervor, andere treten zurück. Je nach Perspektive erscheint die Skulptur immer wieder anders. So stehen die Büsten auch in der Ausstellung „Auf Augenhöhe“ frei im Raum, um sie von allen Seiten betrachten zu können. Mittlerweile sind über 70 Skulpturen entstanden. Der Betrachter sieht die Büste eines Menschen und kann die soziale Rolle des Modells frei assoziieren. Erstaunen entsteht, weil die Plastik, die zu einem Millionär wie zu einem Musiker, zu einer geschichtlichen wie zu einer heutigen berühmten Person gehören könnte, einen obdachlosen Menschen darstellt. Ohne die Spuren der Straße zu verdecken, wird nämlich nicht die Bedürftigkeit, sondern die Menschlichkeit in den Vordergrund gestellt. Manch einer hat es erstmals wieder gespürt, was eines der Modelle ausdrückte: „Wir sehen aus wie Könige.“ Wie jeder Künstler will Harald Birck mit seinen Werken Aufmerksamkeit erzeugen. Er bewirkt, dass die Betrachter ihr Fremdeln gegenüber obdachlosen Menschen vor der Skulptur leichter ablegen als bei der realen Person. Und deckt damit einen Skandal auf: Warum muss dieser beeindruckende Kopf obdachlos sein? Das Möglichste zu tun, damit Menschen so erhoben werden, dass sie die Beachtung erfahren, die ihrer Würde als Menschen entspricht.

Harald Birck, Jahrgang 1960, studierte in Karlsruhe an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste und war Meisterschüler bei Professor Klaus Arnold. Seit 1991 lebt und arbeitet er in Berlin und Marval, Frankreich. Er ist bereits in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen in Deutschland, Frankreich, Norwegen und im Jemen vertreten gewesen.

Pfarrer Ralf Döbbeling